OWM Summit 2019 | Haltung: Pflicht oder Kür im Marketing?

Während Globalisierung und Digitalisierung für steigende Komplexität, Beschleunigung und Unsicherheit sorgen, werden die Folgen unseres Lebensstils durch Umweltschäden und Klimawandel immer deutlicher und es findet ein Wertewandel hin zu mehr Verantwortungsbewusstsein und nachhaltigem Handeln statt. Konsumenten wollen das Gefühl haben, mit dem Kauf einer Marke einen positiven Beitrag für die Zukunft der Gesellschaft zu leisten und erwarten von Unternehmen, dass sie Verantwortung übernehmen und Haltung zeigen. Besonders laut trägt die junge Generation, repräsentiert durch die weltweite Fridays for Future Bewegung, ihre Forderungen vor.

 Der Konsument ist heute informierter, aufgeklärter, anspruchsvoller denn je und er ist saturiert. Eigentlich hat er alles, braucht weniger und erwartet daher mehr – von den Unternehmen, den Produkten und in der Ansprache“, so der OWM-Vorsitzende Uwe Storch in seiner Eröffnungsrede zum OWM Summit 2019. Für ihn steht fest: „Die Frage nach Haltung, Verantwortung und dem universellen Purpose müssen sich heute alle Unternehmen stellen.“

Ähnlich sehen es die OWM-Mitgliedsunternehmen: Sie sind fast einstimmig (90%) der Ansicht, dass Unternehmen heute Haltung zeigen und Verantwortung übernehmen müssen. Immerhin dreiviertel (78%) der Befragten geben an, dass ihr Unternehmen bzw. ihre Marke bereits Haltung beziehen. Dies geschieht überwiegend in den Bereichen Nachhaltigkeit (85%), Klimaschutz (59%), Diversity (50%) und Gender (41%), so das Ergebnis der aktuellen OWM-Mitgliederumfrage vom September 2019.

„Authentizität, Aufrichtigkeit und Nachhaltigkeit sind der Schlüssel gegen Greenwashing und Beliebigkeit in der Kommunikation“, betont Storch und sieht die werbenden Unternehmen vor echten Herausforderungen. Welchen Impact die Entwicklung für Marketing und Media konkret bringt, wie Unternehmen bereits erfolgreich purpose-getrieben agieren, wo Chancen aber auch Schwierigkeiten und Grenzen liegen, zeigten hochkarätige Speaker aus verschiedenen Branchen am 13. November 2019 auf dem OWM Summit in Berlin.

Stephan Grünewald, Geschäftsführer rheingold Institut: „Der Preis der Entideologisierung und Liberalisierung des Lebens ist eine entfesselte Beliebigkeit, die mehr und mehr als Orientierungsverlust erlebt wird. Ein stimmiger Purpose kann Marken und Unternehmen einen sinnstiftenden Mehrwert geben, der einen inneren Kompass vermittelt, motiviert und die Gemeinschaft stärkt.“

Angela Nelissen, Vice President Refreshments Unilever DACH: „Eine Marke alleine kann vielleicht nicht die ganze Welt retten, aber bei Ben & Jerry‘s haben wir immer wieder gezeigt, dass wir gesellschaftliches Bewusstsein und auch politische Realität positiv verändern können. Und das hat die Welt für viele Menschen etwas fairer und besser gemacht. We are a social mission brand that happens to sell ice cream.“

Joachim Stürken, Leiter Markenpflege fritz-kola: „Haltung und Verantwortung sind keine Marketingstrategien, sondern positionieren ein Unternehmen. Bei fritz-kola wollen wir unser Handeln an diesem Anspruch messen lassen.“

Julia Kopper, Geschäftsführerin muxmäuschenwild: "Ich kann mir nicht überlegen, eine bestimmte Haltung anzunehmen, weil es gerade in den Zeitgeist passt. Haltung bedeutet konsequent und nachvollziehbar zu eigenen Überzeugungen zu stehen und danach zu handeln – denn Haltung ohne konsequente Handlung verändert nichts und führt zu Unglaubwürdigkeit. Unsere Dienstleistung als Agentur wird dadurch anspruchsvoller, da wir uns mit unseren Kunden konstruktiv auseinandersetzen, immer wieder schonungslos nachfragen und Purpose einfordern müssen.“

Clara Mayer, Fridays for Future: “Große Firmen sind in der Verantwortung, sich besser zu verhalten. Es kann nicht sein, dass umwelt- und klimaschädliches Verhalten in der Werbung auch noch schöngeredet wird. Der Druck auf diese Firmen, sowohl durch die Öffentlichkeit aber auch von Seiten der Politik muss steigen, bis solches Verhalten ausgehebelt wird. Bis dahin muss verhindert werden, dass durch weichwaschende Werbung der öffentliche Druck auf diese Firmen gering bleibt.“

Jan Pechmann, Geschäftsführer diffferent: “Tue Gutes und rede darüber! Nie war dieser Satz richtiger als heute. Purpose hat sich von der optionalen Kür zur elementaren Pflicht im Kampf um Verbraucheraufmerksamkeit gewandelt. Gutes zu tun und nicht darüber zu reden ist also genauso falsch wie oberflächliches Purpose-Washing. Purpose ist business-relevant und muss durch das Marketing ernst genommen und konsequent aktiviert werden.“

Nina Witt, CEO Stop the water while using me!: „ Purpose bedeutet für mich den Sinnzweck seiner Unternehmung zu kennen, die Antwort auf die Frage, warum es uns gibt und welchen Beitrag wir leisten möchten. „Getting Purpose right" bedeutet, alles Handeln danach auszurichten, ob es dem Purpose dient oder eben nicht und wenn nicht, dann auch mal Nein Danke zu sagen. Das Ergebnis ist eine authentische, glaubhafte und transparente Marke.“

2020 findet der OWM Summit am 10. und 11. November in Berlin statt.