Wiesbaden, 17.05.2006. Das Europäische Parlament hat gestern in 2. Lesung über den Ratsvorschlag für eine Verordnung für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel abgestimmt. Die Abgeordneten votierten mit absoluter Mehrheit für Änderungsanträge zum Ratsentwurf, über die sich Rat und Parlament bereits im Vorfeld als Kompromisslinie verständigt hatten. Aufgrund dieser Voreinigung ist es wahrscheinlich, dass die Verordnung in der gestern verabschiedeten Fassung in Kraft tritt.
Als Hauptbestandteil der Verordnung hat das Plenum dem Ansatz der Einführung sog. „Nährwertprofile“ zugestimmt. Das bedeutet, dass die Zulässigkeit von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung künftig davon abhängt, ob das betreffende Lebensmittel einem bestimmten Nährwertprofil entspricht. Faktisch führen diese Nährwertprofile, deren wesentliche Komponenten der Gehalt an Zucker, Fett und Salz sein soll, zu einer Einteilung des Lebensmittelangebots in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel. Bei Nahrungsmitteln, die dem Profil nicht entsprechen, sollen künftig nährwertbezogene Angaben nur dann zulässig sein, wenn lediglich ein einziger Nährstoff das Profil überschreitet und auf derselben Seite und genau so deutlich sichtbar wie die nährwertbezogene Angabe auf den nicht profilkonformen Nährstoff hingewiesen wird (z. B. „Hoher Anteil an ...“).
Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbandes, stellt fest: „Das Konzept der Einteilung von Lebensmitteln in Produkte mit einem „guten“ oder einem „schlechten“ Nährwertprofil widerspricht dem Gedanken einer ausgewogenen Ernährung und ist ungeeignet, falsches Ernährungs- und Bewegungsverhalten in der Bevölkerung zu vermeiden“. Für besondere Rechtsunsicherheit für Unternehmen sorgt die Tatsache, daß diese Nährwertprofile noch gar nicht existieren, sondern in den kommenden zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung erst noch definiert werden müssen. Das bedeutet, daß die Lebensmittelunternehmen bis zur Festlegung dieser Nährwertprofile nicht abschließend beurteilen können, ob ihr Produkt einem bestimmten Nährwertprofil entspricht und ob sie bestimmte nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben verwenden dürfen oder nicht. „Das sind für Wirtschaftsunternehmen unzumutbare Unwägbarkeiten und machen eine vorausschauende Planung unmöglich“, kritisiert Franz-Peter Falke.
Unverhältnismäßig ist zudem die Tatsache, dass Markennamen nun doch unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Zwar sollen Markennamen, die nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben enthalten, die nicht nach der Verordnung zugelassen sind, verwendet werden dürfen, wenn der betreffenden Marke eine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist, die der Verordnung entspricht. Markennamen, die vor dem 1. Januar 2005 bestanden, sollen zudem in einem Zeitraum von 15 Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung weiter verwendet werden dürfen. De facto kann dies aber für einige Lebensmittelmarken das „Aus“ bedeuten, denn ein Markenname kann nicht einfach geändert oder ausgetauscht werden. Insofern schafft auch die angedachte Übergangsfrist keine Abhilfe. „Kaum ein Unternehmen wird in eine Marke investieren in dem Bewußtsein, dass der Markenname in 15 Jahren nicht mehr verwendet werden darf“, so Franz-Peter Falke.
„Die Verordnung führt dazu, daß ganze Werbestrategien zum Erhalt der Markenidentität von zahlreichen Lebensmittelunternehmen überarbeitet werden müssen“, so Carolin Zapf, stellvertretende Geschäftsführerin OWM. Durch die Prüfungs- und Genehmigungsverfahren entsteht ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand. „Insgesamt hat die Verordnung erhebliche negative finanzielle Auswirkungen für die Nahrungsmittelunternehmen und besonders für den Mittelstand“, so Carolin Zapf weiter.
Gesundheitsbezogene Angaben wie beispielsweise „Kalzium ist gut für die Knochen“ dürfen künftig nur noch verwendet werden, wenn das betreffende Lebensmittel das Nährwertprofil nicht übersteigt, die konkrete Angabe wissenschaftlich belegt ist, nach einem eigens festgelegten Verfahren genehmigt und in eine Gemeinschaftsliste zugelassener Angaben aufgenommen worden ist.
Zwar sieht der verabschiedete Kompromißvorschlag nun zumindest für solche gesundheitsbezogenen Angaben, die auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, ein beschleunigtes Verfahren vor. Für Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos und über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern bleibt es jedoch bei einem hoch bürokratischen Registrierungsverfahren. Allgemeine, nicht spezifische gesundheitsbezogene Aussagen zu einem Nährstoff oder Lebensmittel wie „bekömmlich“ oder „wohltuend“ sind nur noch dann zulässig, wenn ihnen eine nach der Verordnung zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.
Alkoholhaltige Getränke mit mehr als 1,2 Prozent Alkohol sollen gar nicht mehr gesundheitsbezogen gekennzeichnet und beworben werden dürfen. Nährwertbezogene Angaben sind nur dann zulässig, wenn sie sich auf einen geringen Alkoholgehalt oder eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder des Brennwerts beziehen.
Für Rückfragen
Organisation Werbungtreibende im Markenverband
Carolin Zapf
stellvertr. Geschäftsführerin
Tel. 0611-5867-24
E-Mail: c.zapf@markenverband.de